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Keine Angst vor der Midlife-Crisis!

Krisen gehören zum Leben

Was ist dran an der gefürchteten Mittelebenskrise? Ein Wirtschaftspsychologe auf dem Campus Köln wollte es wissen und befragte Männer und Frauen Mitte 40. Ein Drittel der befragten Männer hat keine Lust mehr auf den Job und will etwas ganz anderes tun. Mehr als die Hälfte der Befragten gab an, vor Energie zu sprühen und noch einmal beruflich oder privat durchstarten zu wollen. Rund drei Viertel der Männer gehen optimistisch in die zweite Lebenshälfte, im Gegensatz dazu aber nur etwa 55 Prozent der Frauen. Die Mitte des Lebens ist voller Überraschungen. Aber auch andere Lebensphasen kennen Krisen, die Mehrzahl der Menschen geht mit neuen Perspektiven daraus hervor…

Das volle Programm: Kevin Spacey kündigt seine gut bezahlte Stellung, jobbt stattdessen in einem Imbiss, nimmt Drogen, kauft einen Sportwagen und verliebt sich in die Freundin seiner Tochter – der Film „American Beauty" gilt als Klassiker zum Thema Midlife-Crisis. Die weibliche Variante der Mittelebenskrise zeigte Jahre zuvor schon das Roadmovie „Thelma & Louise“. Literarische Vorlagen lieferten Max Frisch mit Homo Faber und Thomas Mann mit dem Kaufmann Thomas Buddenbrook, der in der Mitte des Lebens über nachlassendem Unternehmerglück und körperlichen Alterungserscheinungen verzweifelte.

Jahrhunderte zuvor beschrieb der italienische Dichter Dante Alighieri in seiner „Göttlichen Komödie" anschaulich die Orientierungslosigkeit der Lebensmitte. Von Coachs gern zitiert wird der Mystiker Johannes Tauler, der im 14. Jahrhundert die spirituelle Krise in der Lebensmitte sehr modern als „Radikalität des Nullpunkts“ bezeichnete. Auch wenn das Leben in früheren Jahrhunderten viel kürzer währte – Dante wurde gerade einmal 56 Jahre alt – kannte man schon die Sinnkrise in den mittleren Jahren. „In dieser Lebensphase bereitet sich eine bedeutende Veränderung der menschlichen Seele vor", sagte 1929 Carl Gustav Jung, der Vater der analytischen Psychologie.

Mythos oder Wissenschaft?

Der Begriff „Midlife-Crisis“ wurde 1965 in London geboren. Der kanadische Psychoanalytiker Elliott Jaques hatte die Lebensläufe von Männern, hauptsächlich Künstlern, untersucht und stellte als auffällige Gemeinsamkeit eine „Mittelebenskrise“  zwischen dem 35. und dem 45. Lebensjahr fest. Populär wurde das Phänomen aber erst rund zehn Jahre später in den USA, als Selbsterforschung und Selbstverwirklichung Volksthema wurden. „In der Mitte des Lebens – Die Bewältigung vorhersehbarer Krisen“ war der deutsche Titel des Bestsellers der Journalistin Gail Sheehy. Heute liefert Amazon 171 Ergebnisse auf die Frage nach Ratgebern zur Midlife-Crisis. Aber gibt es diese Krise wirklich? Die Meinungen der Wissenschaftler gehen auseinander.

Ja, das Leben hat ein Tal in der Mitte.

Die Wirtschaftswissenschaftler David Blanchflower und Andrew Oswald untersuchten Daten zur Lebenszufriedenheit von mehr als einer Million Personen aus über 70 Ländern. Die Auswertung ergab eine U-Kurve des Glücks: Nach einem Höhepunkt der Zufriedenheit in der Jugend werden Menschen ab Mitte 30 unzufriedener, bis sie etwa zwischen dem 42. und 47. Lebensjahr auf einer Talsohle angekommen sind – dabei gibt es in allen Kulturen keinen Unterschied. Danach geht es wieder aufwärts und im Alter erreicht die Zufriedenheit einen zweiten Höhenpunkt. Einige Wissenschaftler vermuten sogar biologische Wurzeln dieses Auf-und-ab-Verlaufs im Lebensgefühl: Anlass dafür gab eine weitere Studie mit 508 Menschenaffen, deren Betreuer nach dem Wohlbefinden der Orang-Utans und Schimpansen befragt wurden. Dabei zeichnete sich ebenfalls eine Stimmungs-Senke im mittleren Alter ab. Kritiker der „U“-Theorie bemängeln allerdings eine zu dünne Datenbasis und bezweifeln die Existenz einer speziellen Krise in der Lebensmitte.

Nein, Krisen gehören in jeder Lebensphase dazu.

„Die allgemeine Midlife-Crisis gibt es nicht“: Alternsforscher lehnen die Sicht auf eine universelle Mittelebenskrise als biologisches Schicksal ab. Allerdings können sich im mittleren Erwachsenenalter durchaus besondere Konfliktsituationen und Belastungen ergeben. Die Entwicklungspsychologin Pasqualina Perrig-Chiello hat in einer Langzeitstudie an der Universität Bern Gefühle und Einstellungen von 1.000 Personen mittleren Alters untersucht und stellt „ein biografisches Multitasking“ in dieser Lebensphase fest: Man trägt noch Verantwortung für die eigenen Kinder, muss sich aber oft schon gleichzeitig um die Eltern kümmern, der Beruf fordert, die Beziehung ist in die Jahre gekommen, der Körper ist ersten Alterungserscheinungen unterworfen, Stress entsteht, drohender Kontrollverlust macht Angst.

Der Tod der Eltern löst schließlich die Beschäftigung mit der eigenen Endlichkeit aus, das erfolgsorientierte Lebensprogramm steht in Frage. Das mittlere Alter ist eine krisenanfällige Zeit, aber „psychische Krisen sind immer individuell; sie hängen von der Persönlichkeit und von den Lebensumständen ab.“ (Pasqualina Perrig-Chiello). „Eine Midlife- Crisis trifft nicht Jeden“, sagt auch das Männergesundheitszentrum in Berlin.

Midlife-Crisis - Männersache?

Das Klischeebild der Mittelebenskrise ist der älterwerdende Mann, der einen Jugendwahn entwickelt und sich dabei auch gleich die passende Partnerin zulegt. Das kommt immer wieder vor. Die Regel ist es nicht. „Das passiert bei weniger als 10 Prozent der Männer“, sagt Dr. Hans-Werner Wahl, Leiter der psychologischen Alternsforschung an der Universität Heidelberg. Die Alternsforscher stellen immer wieder fest, dass viele Menschen gar keine Midlife-Crisis erleben. Auch die Psychologin Professor Alexandra Freund von der Universität Zürich hat das Phänomen untersucht: „Die Realität ist, dass die meisten Männer nicht in eine Sinnkrise geraten, sondern sich in ihrem Leben und in ihrer Haut eigentlich recht wohl fühlen...“ Frauen sind Krisen der Lebensmitte im Übrigen ebenso ausgesetzt wie Männer, das illustriert die Scheidungsstatistik: Bei 52 Prozent aller Trennungen ging die Initiative von der Ehefrau aus, das Durchschnittsalter bei der Scheidung liegt bei 43 Jahren. 

Oder sind es die Hormone?

Die sogenannten Wechseljahre betreffen nicht nur Frauen, sondern auch Männer. Das weibliche Östrogen fährt ab Anfang der Vierziger rasant zurück, das Männerhormon Testosteron baut sich schon ab dem fünfunddreißigsten Lebensjahr, dafür aber sehr langsam ab, der Mangel macht sich als „Klimakterium virile“ individuell zwischen 40 und 55 bemerkbar. Die hormonellen Veränderungen können körperliches und seelisches Unwohlsein provozieren, auch bei Männern treten Schlaf- und Konzentrationsstörungen, Reizbarkeit, Herzrasen und Hitzewallungen auf. Als Auslöser einer Midlife-Crisis kommen die Hormone nach Ansicht der Alternsforscher aber nicht in Frage. 

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Krisen gibt es auch für Jüngere.

Seit geraumer Zeit macht das Schlagwort der „Quarterlife-Crisis“ die Runde und unterstützt die Annahme, dass Sinnkrisen in verschiedenen Lebensphasen auftreten. Zwei amerikanische Autorinnen haben den Begriff aus eigenem Erleben als „twenty-somethings“ Mitte zwanzig geprägt. Wissenschaftlich definiert ist auch diese „Viertellebenskrise“ nicht, doch Jugendforscher nehmen die Probleme ernst: Der Erfolgsdruck, die Vielzahl der Möglichkeiten und der Trend zur Selbstoptimierung lasten schwer auf jungen Leuten zwischen 25 und 30 Jahren. Aufbruch und Umbruch, die Wendepunkte des Lebens wie beim Eintritt in die Arbeitswelt oder beim Übergang zum Älterwerden, sind Krisenzeiten. Schon der Psychoanalytiker C.G. Jung verglich die Krise der Lebensmitte mit der Pubertät, beide Lebensphasen, die von Unsicherheit und Zweifeln gekennzeichnet sind. „Alle zehn Jahre“ geben Psychologen als ungefähre Orientierungsgröße für Krisen an, betonen dabei aber das positive Potential: Krisen sind ein Anstoß, das Leben zu überdenken und neu zu gestalten.

Krise heißt, dass Neues entsteht.

Der Duden erklärt die Herkunft des Wortes Krise vom griechischen „krisis“, was so viel wie Entscheidung, entscheidende Wendung bedeutet. Das chinesische Schriftzeichen für Krise besteht aus zwei Teilen: Eines bedeutet Gefahr, das andere günstige Gelegenheit. Konkret merkt der Alternsforscher Wahl zur Mittelebenskrise an, das es gar nicht so schlecht ist, zwischen 40 und 50 am gewohnten Lebensstil zu zweifeln: „Gesünder leben, mehr Sport treiben, sich Wünsche erfüllen, sich beruflich neu orientieren und so vielleicht Stress reduzieren. Das kann uns im Alter ein paar gute Jahre mehr bescheren.“

Lesetipps:

  • "Halb so wild. Was mit 40 wirklich zählt“von Volker Marquardt: der amüsante und informative Ratgeber eines Betroffenen.
  • „Midlife-Boomer“ – Warum es nie spannender war älter zu werdenvon Margaret Heckel:  optimistische Lektüre für das Leben 50 plus.
  • „Quarterlife Crisis“von  Birgit Adam wird von Lesern als interessantes und realitätsnahes Buch mit vielen wertvollen Gedanken empfohlen.

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